Da mich das Thema New Work schon eine Weile beschäftigt, war ich gespannt darauf, wie es auf großer Bühne rezipiert werden würde. Das Fazit unumwunden vornweg: Licht und Schatten! Das waren exakt die Gedanken, die ich in mir trug, als ich nach einem langen Tag im Berliner Westhafen den Heimweg antrat.
Das Business-Netzwerk Xing lud zur New Work Experience nach Berlin und viele folgten. Nicht alle, wie ich mehrfach im Vorfeld erfahren durfte. Die Meinungen zum Event innerhalb der New-Work-Community sind zwiegespalten. Auf der einen Seite die Fürsprecher, die die Sogwirkung solcher Veranstaltungen betonen, auf der anderen Seite die Kritiker, die so etwas u.a. als oberflächliche und überteurte Selbstinszenierung brandmarken.
Ich verstehe beide Perspektiven und wollte mir ein eigenes Bild machen. Da mir das Ticket von Xing geschenkt wurde, schaute ich dem Gaul einfach mal ins Maul. Unterm Strich hat sich das auch gelohnt. Denn bei aller Kritik bleibt eine perfekt organisierte Veranstaltung im Gedächtnis, die für alle Facetten der neuen Arbeit passende Angebote, Vorträge und Workshops bereit hielt. Dass es nebenbei auch um die Selbstvermarktung der XING AG ging, ist selbstredend. Xing hat sich an diesem Tag als professioneller und spendabler Gastgeber präsentiert. Wobei spendabel bei regulären Ticketpreisen um die 700 Euro natürlich relativ ist.
Licht
Das Event bringt die Themen der neuen Arbeitswelt ins Sichtfeld einer breiteren Öffentlichkeit. Viele Geschäftsführer, Entscheider und Personalverantwortliche waren gekommen, um sich über die aktuellen Entwicklungen im Bereich der neuen Arbeit, unter der Chiffre New Work vermarktet, zu informieren. Die unterschiedlichsten Trends und Ausprägungen konnten in zahlreichen Vorträgen und Workshops kennen gelernt werden. Die Bandbreite reichte vom ehemaligen Top-Manager Thomas Sattelberger bis zum Managementquerdenker Niels Pfläging. Den Veranstaltern ist es also tatsächlich gelungen, die volle Bandbreite der New Work Szenerie in Deutschland darzustellen und zahlreiche Anknüpfungspunkte zu liefern, die die TeilnehmerInnen mit in ihren Berufsalltag mitnehmen können.
Sympathisch ist durchaus auch die Würdigung des Engagements zahlreicher Unternehmen und Einzelpersonen im Rahmen eines sog. New Work Awards. So gehörten in diesem Jahr u.a. der umtriebige Sven Franke vom AUGENHÖHE Film und Martin Arnold, Gründer und ehem. Chef der Haufe-Umantis, zu den verdienten Gewinnern.
Schatten
Gerade als ich den großen Saal betrat, wurde von der Bühne zum Ablegen der Krawatten aufgefordert. Offen gestanden war ich in dem Moment schon bedient. Zwar trug ich selbst keine, aber der Zusammenhang, der damit konstruiert wurde, bestätigte meine Befürchtungen: New Work als fremdbestimmte Selbstinszenierung nach Schema F. Wenige Minuten später erkannte ich einige PersonalerInnen, die mir von anderen vergleichbaren Events in Erinnerung geblieben und augenscheinlich nur auf Großveranstaltungen anzutreffen sind. Auf den kleineren, weniger glanzvollen Events wie Meetups oder Wevents, die oft nach Feierabend stattfinden und wo sich tief in die Materie eingearbeitet wird, sind sie mir leider noch nie aufgefallen.
Die Qualität vieler der von mir besuchten Workshops war ungenügend. Es handelte sich schlichtweg um Vorträge oder getarnte Produktpräsentationen. Das war ziemlich enttäuschend. Bietet sich gerade bei so einem Event die Chance, Menschen zu erreichen, die im Alltag wenig praktische Anknüpfungspunkte haben.
Ein echter Tiefpunkt war die Aufblasaktion veganer Kondome im Rahmen des Startup-Talks auf der Main-Stage; da fragte ich mich kurzzeitig wirklich, ob ich mit 36 Jahren bereits zu alt für so etwas bin.
Genervt war ich auch von der Selbstinszenierung einiger Leute. Es sind in Teilen die immer gleichen Selbstdarsteller-TypInnen auf manchen Bühnen, am Buffet, in den Workshops zu erleben gewesen, die lediglich die Möglichkeiten nutzen, die sich ihnen bieten, ohne im Herzen zu brennen. Ich sage es ganz klar: Mit solchen Leuten ist keine substanzielle Veränderung zu erreichen!
Fazit
Der Vortrag von Frithjof Bergmann, Namensgeber und einstiger Vordenker der neuen Arbeit, ist mir in sympathischer Erinnerung geblieben. Obwohl extra aus den USA eingeflogen und offensichtlich nicht bei bester Gesundheit, hat er sich mit klugen Worten und kleinen Anekdoten an die ca. 750 BesucherInnen gewandt und die originären Ideen von New Work grob umrissen. Dabei machte er auch deutlich, dass manches, was er an diesem Tag zu hören bekam, wenig mit seinen Vorstellungen zur neuen Arbeit gemein hatte. Niels Pfläging düste zwar im Eiltempo durch seine Komplexithoden, bot aber inhaltlich ein gutes Kontrastprogramm. Und auch der kleine Workshop im New Work Studio zum Sinn unserer Unternehmen mit dem Filmemacher Kristian Gründling bleibt in positiver Erinnerung.
Die gesamte Organisation der Veranstaltung war perfekt, die Bandbreite der Themen gut und der Anspruch, neuen Arbeitskonzepten eine große Bühne zu bieten, wurde durchaus erfüllt. Im nächsten Jahr würde ich mir bessere Workshops und weniger Echoräume wünschen. Dann wäre auch der relativ hohe Eintrittspreis gerechtfertigt.
Am 06. März 2018 geht es in der Elbphilharmonie in Hamburg in die nächste Runde.
New Work Experience - Hochglanz im Berliner Westhafen
Bericht und Einschätzung zum Klassentreffen der New Work Offiziellen in Berlin
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