Startseite » Management » Kommentar » Fuckup-Nights - Erfolgreiches Scheitern

Fuckup-Nights - Erfolgreiches Scheitern

Fuckup-Nights - Erfolgreiches Scheitern
Fuckup-Nights - Erfolgreiches Scheitern

Was ist eine Fuckup Night

Gegründet wurden die Fuckup-Nights von einem umtriebigen Mexikaner namens Yannick Kwik. Inzwischen gibt es weltweit in mehr als 100 Städten entsprechende Ableger. Tendenz steigend. Ziel der Veranstaltung ist eine andere Wahrnehmung von Menschen, die als Unternehmer gescheitert sind. Denn Gründer haben Mut bewiesen, sind einer Idee gefolgt und haben wertvolle Erfahrungen gesammelt. Wissen, von dem andere profitieren können. Eine Mischung aus Neugierde und Voyeurismus dürfte allerdings auch ein Grund sein, warum dieses Veranstaltungsformat so erfolgreich ist.

Bericht Fuckup-Nights Leipzig

Auch in Deutschland gibt es inzwischen in zahlreichen Städten gut besuchte -Nights. Um den Spirit einer solchen Veranstaltung selbst einmal zu erleben und Inspiration für eine ähnliche Initiative vor Ort zu erhalten, besuchte ich im September 2016 die 16. Leipziger Fuckup-Nights.

Die Veranstaltung fand im Stadtbad Leipzig statt. Eine tolle Location, die den passenden Rahmen für diesen Abend bot. Knapp 500 BersucherInnen fanden den Weg in die Halle dieses ehemaligen städtischen Badehauses. Der Altersdurchschnitt lag bei etwa 30 Jahren. Einlass und Platzsuche verlief schnell und unkompliziert.

Nach einem Grußwort des Hausherren und einer kurzen Begrüßung durch das Organisationsteam der Leipziger FUN, ging es direkt mit dem ersten Vortrag los.

Speaker 1: Jim Ziegler, Investmentberater
Jim berichtete von seinem Umzug von Halberstadt nach Berlin und der Schwierigkeit, neue Kontakte zu knüpfen und beruflich wie privat anzukommen. Irgendwann traf er die Entscheidung nach Leipzig zu gehen, wo er sich heute tatsächlich heimisch fühlt. Sein Fuckup bestand darin, dass sich seine Vorstellungen in der Anonymität Berlins nie so richtig erfüllen ließen. Ende gut, alles gut: Sein Traum, Gesellschafter jener Firma zu werden, für die er bis dahin als Angestellter arbeitete, hat sich erfüllt. So richtig konnte ich nicht erkennen, an welchem Punkt er wirklich gescheitert wäre. Aber vielleicht muss man ja auch nicht immer ganz auf die Nase fallen.

Speakerin 2: Martina Leisten, ehem. Gastronomin
Martina hat von allen Rednern des Abends den krassesten Fuckup hinter sich. Als ehemalige Betreiberin einer Bar in Berlin hat sie miterleben müssen, wie sich ihr Traum von der eigenen Kneipe innerhalb eines Jahres in einen Albtraum verwandelte, der letztlich in der Privatinsolvenz endete. Nach beinahe 10 Jahren am Existenzminimum, Depression und anhaltender Arbeitslosigkeit, hat sich Martina inzwischen wieder gesammelt und trägt sich mit einer neuen Geschäftsidee, die sich an einer ihrer großen Leidenschaften orientiert: Torten backen. Besonders beeindruckt hat mich ihre schonungslose Offenheit. Ihren Erzählungen war deutlich zu entnehmen, dass Scheitern richtig unangenehm und mit hohen persönlichen Opfern verbunden sein kann. Allein für diesen Vortrag hatte sich der Weg nach Leipzig gelohnt.

Speaker 3: Karl Heinz Fürst von Sayn-Wittgenstein, Millionär
Der mit Abstand ambivalenteste Fuckup des Abends. Fürst von Sayn-Wittgenstein wurde als Jugendlicher adoptiert und wuchs bis dahin lt. Wikipedia in eher einfachen Verhältnissen auf. Einerseits war sein Vortrag unterhaltsam und kurzweilig, reich gespickt mit lustigen Anekdoten aus seinem Berufsleben. Andererseits hatte Karl Heinz für mich zu viel Sendungsbewusstsein. Sein Fuckup war ziemlich dünnbrüstig und handelte von der schmalen Erkenntnis, dass ein Franchisekonzept mit auf Radiowellen basierenden Fettweg-Geräten zu viel Arbeit bedeutet und sich mehr Gewinn mit der Vermietung solcher Geräte einfahren lässt. Eigentlich wollte ich im Anschluss die Frage stellen, ob er sich selbst als glaubwürdigen Markenbotschafter sieht, gönnte mir stattdessen aber lieber ein kühles Radler an der frischen Luft.

Speaker 4: Oliver Kleemeier, Unternehmer
Oliver, ein ehemaliger Boxer, hat erfolgreich ein Sicherheitsunternehmen aufgebaut und parallel dazu in Festanstellung gearbeitet. Sein Fuckup bestand darin, dass ihm die Kontrolle über sein Unternehmen und das Privatleben entglitt. Einzelne Mitarbeiter fingen an ihn zu hintergehen, seine Partnerschaft scheiterte und irgendwann wachte er in einem Krankenhaus auf und musste sich der ungetrübten Realität stellen: Ausgebrannt. Heute ist er wieder erfolgreich unternehmerisch tätig. Die Erfahrung des Scheiterns hat ihn letztlich weiter gebracht und zumindest weiß er heute ganz genau, worauf es ihm als Mensch und Unternehmer ankommt.

Fazit

Ja! Tolle, wichtige Veranstaltung. Wollen wir mehr Gründer und Unternehmer in Deutschland, brauchen wir neben veränderten rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen, vor allem eine andere Fehlerkultur. Hier setzen die Fuckup-Nights an, indem sie das negative Bild des Scheiterns in etwas Positives umdeuten. Deutschland ist in dieser Hinsicht noch ein Entwicklungsland, aber führt man sich den Erfolg dieser Veranstaltungsreihe vor Augen, ist Hoffnung geboten.

Großes Kompliment an die Organisatoren in und Respekt vor dem Mut all jener Menschen, die sich auf eine Bühne stellen, um über ihre eigenen Misserfolge zu sprechen.

Beitrag kommentieren
Ähnliche Artikel
Keine Managementliteratur lesen! Warum Ratgeber und Bücher über Führung oft mehr verunsichern als helfen
Digitalisierung Quo vadis? Die Digitale Transformation ist vielleicht eines der letzten strategisch planbaren Szenarien