New Work scheint zum Schlachtruf einer neuen Arbeiterbewegung geworden zu sein, die bevorzugt im virtuellen Raum anzutreffen ist. Bei Google finden sich gleich auf den ersten Seiten mehrere unterschiedliche Beratungsformate mit je eigenem Deutungsansatz zum Thema. Stephanie K. witzelt bei Twitter: New Work besteht zu 80% aus Beratern auf der Suche nach neuen Aufträgen - ohne Erfahrung! Eine eindeutige und allgemein gültige Definition dessen, was New Work ist, existiert hingegen noch nicht.
Aber woher stammt der Begriff New Work eigentlich, welche Interpretationen gibt es und was könnte der kleinste gemeinsame Nenner sein? Eine Annäherung an einen der populärsten Begriffe der neuen Arbeitswelt.
Der Ursprung von New Work
Auch wenn der Begriff derzeit in aller Munde zu sein scheint, ist er schon etwas älter. Bereits in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, begann der amerikanische Philosoph Frithjof Bergmann mit seinen Grundlagenforschungen. Nachdem er über Hegel promovierte und als Professor für Philosophie in Stanford, Berkeley und Michigan lehrte, widmete er sich vermehrt den Themen der neuen Arbeitskultur. Im Zentrum seiner Forschung stand die Frage: Wie kann der Mensch Freiheit erlangen? Erst in der Übertragung dieser Frage auf die Arbeitswelt, entstand 2004 sein dreigliedriges Konzept namens "New Work".
- Erstens forderte er den radikalen Rückbau der krank machenden Lohnarbeit, die Menschen entmündige, geistig deformiere und erpressbar mache.
- Zweitens sagte er voraus, dass wir bald in der Lage wären all die Dinge unseres täglichen Bedarfs selbst herzustellen und nannte das Prinzip "Hightech-Selbstversorgung".
- Drittens regte er an, dass jeder Mensch zeitlich und finanziell in der Lage sein sollte, seiner eigenen beruflichen Vision zu folgen. Bezüge zum heute viel diskutierten Bedingungslosen Grundeinkommen werden darin deutlich.
Hinter dem Begriff New Work versammeln sich auch in Deutschland seit einigen Jahren immer mehr Menschen, die eine Reformation der Arbeitswelt anstreben. Insbesondere die Veröffentlichung des Buches Reinventing Organizations lieferte ihnen entscheidende inhaltliche Impulse. Die unterschiedlichen Positionen der eher sozialwissenschaftlich geprägten New Work-Bewegung zur klassischen Betriebswirtschaftslehre, sorgten von Anfang an für kontroverse Debatten.
»Wer Unternehmern einredet, dass Tischkicker oder kostenloses Obst die Lösung ihrer Probleme wären, ist ein Scharlatan«
Unstrittig ist allerdings: Jeder zynische Kommentar über überforderte Führungskräfte, jede Häme über neue Skandale oder besserwisserisches "Wir haben es euch ja schon immer gesagt" erwirken nichts! Am ehesten zerstören sie das zarte Pflänzchen Aufgeschlossenheit, das Führungskräfte in sich tragen, wenn sie ahnen, dass es mit ihnen oder ihrem Unternehmen so nicht weiter gehen kann. Und wem ist eigentlich damit geholfen wenn ein Konzern mit mehreren tausend Mitarbeitern bankrott geht? Wer Unternehmern in solchen Momenten einredet, dass kostenlose Obstkörbe oder flexible Arbeitszeiten die Lösung ihrer Probleme wären, ist ein Scharlatan!
Schnell würde deutlich werden, dass Feelgood-Manager, Tischkicker, Yogakurse etc. keine grundlegenden Veränderungen am bestehenden System bewirken und somit quasi nur eine neonfarbene Lackschicht auf rostigem Untergrund sind. Will man die substanziellen und komplexen Herausforderungen der modernen Arbeitswelt meistern, versagen lineare Lösungsansätze relativ schnell.
Radikaler Bruch mit vertrauten Denk- und Handlungsmustern
Die Suche nach Lösungen beginnt mit grundlegenden Fragen:
- Wieso leiden so viele Menschen an ihrer Arbeitssituation?
- Was sind die eigenen Anteile?
- Was ist der eigentliche Zweck von Arbeit?
- Wozu dienen Abteilungen, Stellenanzeigen, Stechuhren, Bonussysteme etc.?
Die Antworten können erste Anknüpfungspunkte liefern, um sich mit ganz grundsätzlichen Fragen eines neuen unternehmerischen Selbstverständnisses zu beschäftigen. Demgegenüber würde der alleinige Ansatz, eine bestehende Firmenkultur verändern zu wollen, keine nachhaltige Wirkung entfalten. Denn Unternehmenskultur ist die logische Folge von Prozessen, Normen und Kommunikationswegen.
New Work könnte zum Inbegriff einer neuen Wirtschaftsphilosophie werden, sofern es nicht länger als Allheilmittel gegen schlechte Stimmung am Arbeitsplatz verscherbelt wird. Das schiere Herumdoktern an Symptomen ändert nichts an den eigentlichen Ursachen. Erst das Infragestellen ausverhandelter Standards, öffnet den Geist für die Erschließung neuer Kollaborationsformen.
Unsere Betriebswirtschaft entstammt einer anderen Epoche
Wir sind aufgewachsen in einer Welt, die uns Struktur und Orientierung bot. In Schule, Universität und Arbeit haben wir gelernt, dass Fleiß und konformistisches Verhalten zum Ziel führt. Wir wussten, dass mit genügend Ressourcen, Zeit und Erfahrung komplizierte Sachverhalte erfolgreich gelöst werden können. Unsere Betriebswirtschaft entstammt einer Epoche, in der vieles vorhersehbar und damit planbar war. Die Aufteilung unserer Unternehmen in unterschiedliche Fachbereiche; das Selektieren von Menschen in Denker und Umsetzer; das Vertrauen auf die Vorhersehbarkeit bestimmter Ergebnisse - all das hat Jahrzehnte gut funktioniert.
Zuletzt glaubten wir noch durch inkrementelle Modifikationen bestehender Prozesse und einer an die Welt der Maschinen angelehnten Sprache, die Herausforderungen der Gegenwart bewältigen zu können. Allerdings versagen die vertrauten Abläufe in unserer hochfrequenten, immer komplexer werdenden Arbeitswelt zusehends.
Bestehende Glaubenssätze umkehren
Doch was ist die Alternative wenn die altbewährten Mechanismen nicht mehr richtig funktionieren?
- Zusammenarbeit funktioniert besser in Netzwerken statt in Silos
- Informationen dürfen nicht mehr aus machtpolitischem Interesse einbehalten, sondern müssen geteilt werden
- Führungskräfte sind Ermöglicher und keine Herrscher
- Vielfalt schlägt Spezialisierung
- Die Potentialentfaltung der Mitarbeiter ist wertvoller als normierte Prozesse
- Scheitern ist unvermeidbar und Vertrauen erfolgskritisch
- Vor allem aber: Der Kundennutzen definiert die Strategie
Weiterhin würde eine einseitige Fokussierung auf Führungskräfte zu kurz greifen und unweigerlich blinde Flecken erzeugen. Auch wenn viele Führungszirkel einen nicht zu leugnenden Anteil an innerbetrieblichen Dysbalancen haben, sind deren Mitglieder gleichfalls Gefangene und damit auch Leidtragende einer vom Menschen entkoppelten Wirtschaftsethik. Und es gibt eine weitere nicht zu leugnende Wahrheit: Jeder einzelne Mitarbeiter, gleich welcher Position, hat individuelle und nicht delegierbare Handlungsoptionen. Diese Verantwortung zu erkennen und einzufordern, wäre eines der stärksten Argumente für New Work.
Was ist der kleinste gemeinsame Nenner von New Work?
Dem erfolgreichen Unternehmer Götz Werner ist folgender Satz zuzuschreiben: "Führung ist heute nur noch legitim, wenn sie die Selbstführung der anvertrauten Mitmenschen zum Ziel hat." Er könnte das Substrat all dessen sein, was den kleinsten gemeinsamen Nenner von New Work ausmacht: Eine Haltung, die eigenständiges Denken und Handeln fördert und dabei auf Ausgrenzung und Bevormundung verzichtet.
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thanks so much for sharing this article. I have started recently looking at the meaning of New Work and leadership styles, and I watched a speech by Frithjof Bergman that was very inspiring.
My interpretation is that a movement has started, and, similar to all the movements that started in the past (e.g. women’s rights, anti-racism USA, etc.), there is resistance and most of all FEAR! Fear of the unknown, fear of loosing power, fear of leaving the comfort zone and going unfamiliar ways, fear of transparency, fear, fear, fear...
We may be a small community, but at least the few of us that dare to try out different approaches are not alone and can charge their batteries in the exchange with others... For me the resistance shows me what pain points to look at first. And for me, the biggest pain point is how to build up trust and how to adress the fears and worries of my fellow colleagues when navigating in the unknown sea...
Christian Müller
Hello Daniella, thanks for your inspiring and wise words!Meiner Meinung nach steht New Work dafür, sich auf die neuen Arbeitsbedingungen, die durch die Digitalisierung möglich sind, einzulassen. Die Konzepte sind nicht auf jede Branche und jeden Job anzuwenden, aber immer mehr Tätigkeiten lassen sich nach dem Prinzip flexibler und für einen persönlich effektiver gestalten.
Es geht darum, für sich persönlich eine Arbeitsumgebung zu finden oder zu schaffen, die es einem erlaubt, frei und selbstbestimmt zu den Ergebnissen zu kommen.
Das kann die Gestaltung des Arbeitsplatzes oder die Wahl des Arbeitsortes sein. Eine der größten Chancen der New Work Bewegung sehe ich darin, dass Arbeit nicht mehr ein Ort ist. Das Büro kann quasi je nach Branche überall hin verlegt werden. Im Unternehmen wird sowas dann eine Workation genannt und bringt Mitarbeiter in einer neuen Umgebung zusammen. Der Ausbruch aus gewohnter Routine steigert die Kreativität und stärkt den Team-Zusammenhalt. In der Regel ist solch eine Workation auf einen Zeitraum begrenzt. Bei meiner Recherche bin ich auf immer mehr Zustimmer dieser Arbeitsweise gestoßen.Hallo Christian,
dein Artikel spricht ein interessantes Thema an. Interessant, mehr aber auch nicht...
New Work und alles was du als solches beschreibst, bietet eine schöne Vision, die die Allerwenigsten umsetzen wollen und die nur einige wenige (meist selbstständige) Unternehmer praktizieren.
Erstens sind nicht alle Deutschen in der Lage, vernünftig zu arbeiten, d.h. man kann (aus Sicht der Arbeitgeber) 10-15% zu nichts gebrauchen (keine abgeschlossenen Schulbildung, keine Ausbildung).
Vom Rest gibt es einen riesen Anteil, die gerne Befehle und klare Anweisungen ausführen wollen, weil sie nicht Hinterfragen.
Gerade in Deutschland mit einem starken Industriesektor, der bei jeder Krise von unserer Regierung übersubventioniert wird (als Stichwort werfe ich "Missbrauch der Kurzarbeit" in die Runde), ist es den Leuten ganz recht, abhängig beschäftigt zu sein, denn sie leben nicht schlecht damit.
Unternehmerisches Denken wird nicht gelehrt und nicht praktiziert.
Jeder unternehmerisch denkende Mitarbeiter wird auf Granit beißen mit seinen Verbesserungsvorschlägen, sowas ist nicht gewollt.
Bleibt ein kleiner Teil an Beratern, die selbstständig ihr Brot verdienen und als Netzwerker zusammen arbeiten, kreativ sind etc. Diese 2-5% der Bev. versucht zu leben, was New Work meint.
3% davon kommen auf den Boden der Tatsachen, wenn sie sesshaft werden und Verantwortung für eine Familie haben.
Befehle befolgen heißt Sicherheit und sichert (vermeintlich?) den Wohlstand, ohne den wir nicht auskommen wollen.
Hierarchien sichern Macht und bestehende Gleichungssysteme unseres Wirtschaftslebens; natürlich bräuchten wir eine neue Wirtschaftsphilosophie, aber das würde gleichbedeutend mit Aufgabe von Bequemlichkeit.
Sehr gut gefällt mir der Part "Bestehende Glaubenssätze umkehren", quasi als Quintessenz.
Wobei ich einem Punkt nicht ganz zustimme: "Vielfalt schlägt Spezialisierung".
Wenn jeder Arbeiter unternehmerisch denken würde und könnte, dann wäre das schön, aber das ist unmöglich.
Erstens kann nicht jeder betriebswirtschaftlich denken, zweitens wollen viele diese Verantwortung nicht.
Da wird gerne zuverlässig und punktgenau in der Produktion gearbeitet, und zwar von "8 to 5" und dann ist Schluss!
Zeit für Konsum, Hobbies etc.!
(Hier steht einem "Warum auch nicht?" ein "Ist das sinnvoll?" gegenüber.)
Wichtig wäre, das System zu ändern, aber der Einzelne wird daran scheitern und sich ingendwann unterordnen.
Traurig aber wahr!
Antwort Christian Müller
Hallo Markus, vielen Dank für Deinen Kommentar. Woher stammen Deine geäußerten Annahmen? Also basieren Sie auf Deinem subjektiven Empfinden oder hast Du ganz konkrete und belegbare Zahlen?